Ein Freiwilligendienst in Corona-Zeiten ist auch systemrelevant ...

Lena hat sich nach ihrem Schulabschluss für einen

Freiwilligendienst in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit im Stadtjugendpfarramt Dresden

entschieden. Am Nachmittag, an Wochenenden und in den Ferien war sie bei Kinder- und Jugendtreffs in den Kirchgemeinden, bei regionalen Jugendgottesdiensten und Freizeitfahrten dabei – doch mit dem Corona-Lockdown im März 2020 brachen auf unabsehbare Zeit ihre gesamten Tätigkeiten als Freiwillige beim Stadtjugendpfarramt Dresden weg. Hier ihr Bericht.

An dem Tag, an dem der Lockdown in Kraft gesetzt wurde, bin ich an einer Grundschule vorbeigegangen. Zwei Kinder haben sich mit den Worten „Bis Montag!“ verabschiedet und ich habe gedacht: „Nee, nee, nee, das wird wohl nicht!“ An diesem Tag ist mir auch klargeworden, dass das, was bisher meinen Freiwilligendienst ausgemacht hat, überhaupt nicht mehr sinnvoll umsetzbar ist. Alle meine Aufgaben, die Treffen in den Kinder- und Jugendgruppen und die unmittelbare Begegnung mit Menschen fallen mit dem Lockdown weg. Mit meinen Mitfreiwilligen habe ich in der Vor-Osterzeit noch einen Online-Kreuzweg, also ein Hörspiel, aufgenommen, das die Jugendlichen sich am Karfreitag anhören konnten. Aber ansonsten gab es nicht mehr viel, das ich hätte machen können. Und dabei wollte ich mir dieses Jahr doch eigentlich für mich selber nehmen, mal nicht auf der Schulbank zu sitzen, sondern rauszukommen und was zu erleben!

Mitte April habe ich dann die Entscheidung gefasst, nicht einfach mehr zu Hause rumzusitzen, sondern diese freie Zeit sinnvoll zu investieren. Die Freizeitarbeit mit Kindern und Jugendlichen hätte wohl am längsten aushalten müssen, bis wieder ein halbwegs normaler Einsatz möglich sein würde.

Ich wollte da unterstützen, wo meine Hilfe momentan am meisten gebraucht würde und bin ins Krankenhaus gewechselt.

Der Wechsel wurde mir organisatorisch sehr einfach gemacht. Das Diakonissenkrankenhaus Dresden, als meine neue Einsatzstelle, ist mir dabei so entgegengekommen und hat mich auch super eingearbeitet – auch wenn die erste Woche mich schon auch überfordert hat! Es war ein völlig anderes Arbeitsfeld und ich kannte mich überhaupt nicht aus. Aber da waren zum Glück immer andere Leute, die mir dann Aufgaben erklärt und meine Fragen beantwortet haben, die aber auch gute Hinweise gegeben haben, was man nicht machen darf. (Zum Beispiel irgendwelche Wägen vor dem Reanimationsbrett abzustellen. Macht ja auch Sinn – im Notfall muss das einfach zugänglich sein!)

Meine neuen Aufgaben im Krankenhaus umfassten vor allem die Versorgung der Patienten, wie Essen rein- und raustragen, auf Wünsche und Fragen der Patienten reagieren, sie ins Bad begleiten, Patienten in die Radiologie oder zum OP bringen – mitunter war ich den ganzen Tag auf den Beinen und bin auch gelegentlich an meine Grenzen gestoßen. Es gab Tage, an denen ich mich ausgelaugt gefühlt oder gemerkt habe, dass ich den ganzen Tag unter Spannung stand. Je weiter dann aber mein Freiwilligendienst fortgeschritten ist, desto sicherer und gelassener wurde ich.

Als ich meine Einsatzstelle gewechselt habe, wusste ich nicht, auf wieviel Arbeit ich mich einlasse. Ich habe auf der einen Seite meine Grenzen kennengelernt, aber auf der anderen Seite auch erfahren, wieviel ich eigentlich kann und wieviel ich auch aushalte. Im Nachhinein hilft mir das bei allen Aufgaben, die ich mir zuerst nicht zutraue oder lange vor mir herschiebe. Ich weiß durch diese Zeit, was ich kann und wieviel Kraft ich habe. Das war eine sehr prägende Zeit für mich!

Im Diakonissenkrankenhaus bin ich vor allem an meine körperlichen Grenzen gestoßen, aber auch die Aufgaben im Stadtjugendpfarramt haben mich gefordert.

Hier waren es eher zwischenmenschlichen Situationen, die mich an meine Grenzen gebracht haben: wenn ein Gruppengespräch nicht in Gang kam, meine Gestaltungsidee nicht so richtig umsetzbar war oder ich schnell ein Spiel zur Überbrückung in der Kindergruppe brauchte, mir aber einfach keines einfiel.

Vom unmittelbaren Corona-Infektionsgeschehen habe ich Sommer 2020 im Krankenhaus nichts mitbekommen und auch mit Corona-Patienten hatte ich nichts zu tun, aber angespannt war die Situation auf der chirurgischen Station dennoch. Denn jetzt mussten alle OPs, die im Frühjahr aufgrund des Lockdowns nicht stattfinden hatten können, nachgeholt werden und es war unheimlich viel zu tun. Ärzte, Pflegekräfte und Auszubildende, alle liefen immer von Patient zu Patient und ich war mittendrin.

Ja, ich habe mich da schon als systemrelevant empfunden. Das ist mir besonders aufgefallen, wenn viele Fachkräfte im Team krank oder in Quarantäne waren und ich in viel mehr Aufgaben involviert wurde. Ich denke an diverse Notfälle zurück, die auf meiner Station passiert sind: Da rennen Menschen über die Gänge, weil irgendwo der Alarm ausgelöst wurde. Ich war in dem Moment wahnsinnig neugierig, was gerade passiert, wäre am liebsten hinterhergerannt und hätte geguckt. Aber ich wusste, dass ich jetzt am meisten helfe, wenn ich die Sachen mache, die mir als Zuarbeiten für die Fachkräfte aufgetragen wurde. Den Rücken freihalten, das war, denke ich, eine wichtige Aufgabe und meine Unterstützung als Freiwillige wurde da sehr gebraucht!

Fragt man mich nach der Systemrelevanz im Stadtjugendpfarramt, halte ich meine Arbeit auf den ersten Blick für nicht so systemrelevant. Aber je länger der Lockdown dauerte, desto mehr merkte ich, wie sehr Menschen andere Menschen, ein soziales Miteinander und den Austausch brauchen. Dieser Teil ist weggebrochen und es musste jeder für sich etwas finden, damit er nicht die ganze Zeit allein zu Hause saß. Daran sehe ich, wie wichtig es für Menschen ist außerhalb des Internets Kontakte zu haben. Das Stadtjugendpfarramt ermöglicht genau diesen Austausch und diese Gemeinschaft.

Für mich persönlich konnte ich im Stadtjugendpfarramt richtig gut lernen, meine Aufgaben und meine Zeit selbst zu strukturieren und mich zu motivieren. Ich hatte dort die Möglichkeit, mir meine Zeit so einzuteilen, wie ich das möchte, am Ende mussten die Aufgaben aber fertig sein. Mein Zeitmanagement konnte ich dort richtig gut üben!

Schaue ich auf die Zeit im Diakonissenkrankenhaus zurück, war folgende Situation für mich besonders einprägsam: Es war ziemlich am Ende meines Freiwilligendienstes, ich hatte noch zwei Wochen zu arbeiten, da ist an einem stressigen Tag eine Patientin gestorben. Die ganze Station war plötzlich still. Es war eigentlich richtig, richtig viel zu tun, aber es ist so eine Ruhe eingekehrt, die ich noch nie erlebt habe. Das hat mich beeindruckt! Vielleicht ist die Ansage, chillt doch mal alle, manchmal nicht genug, sondern es braucht etwas Großes, um einen auf das, was im Leben wirklich wichtig ist, hinzuweisen.

Im Nachhinein sehe ich: Dass ich in meinem Freiwilligendienst einen zweiten Einsatzbereich, nämlich das Diakonissenkrankenhaus kennenlernen konnte, war wirklich eine tolle Möglichkeit!