Im FSJ werden anderen Werte bedeutsam

Benno, 21 Jahre

Nach dem Abitur war ich erst einmal ein halbes Jahr in Neuseeland, weil ich nicht wusste, was genau ich überhaupt will und ob ich schon anfangen soll zu studieren. Doch als ich zurück war, wusste ich es immer noch nicht. Durch Zufall habe ich über die Mutter einer Freundin erfahren, dass an der Werner-Vogel-Schule in Leipzig, einer Schule für Kinder mit geistiger Behinderung, noch Freiwilligenplätze besetzt werden können. Bei den Hospitationstagen an der Schule hat mich das Miteinander und die tolle Arbeitsatmosphäre beeindruckt, die ich zum Beispiel aus meiner Nachtschicht bei DHL, wo ich vorher einmal arbeitete, nicht kannte. Das war auf jeden Fall ein Kontrast!

Nach einem Jahr Freiwilligendienst war unklar, ob ich für meinen Wunschstudiengang angenommen werde. Darum habe ich mich für eine Verlängerung meines FSJs (Freiwilligen Soziales Jahres) entschieden. Dabei wollte ich die Gelegenheit nutzen und mal aus Leipzig rauskommen, wo ich geboren wurde und schon immer gelebt habe. Durch meinen Freiwilligendienst habe ich viele Leute in Dresden kennengelernt – es bot sich also an mein FSJ in Dresden an der Schule am Burkersdorfer Weg, ebenfalls einer Schule für Kinder mit Behinderung, zu verlängern.

Aus meinem Freiwilligendienst nehme ich extrem viele unterschiedliche Erfahrungen mit den Kindern mit, ...

... das gegenseitige Verständnis füreinander und die Fähigkeit Perspektiven zu wechseln: Was für mich nicht logisch ist, kann für die Kinder hier logisch sein. Damit muss es nicht unlogisch sein, sondern folgt eben einer anderen Logik. Ich lerne hier unterschiedliche Wahrnehmungen noch mehr zu akzeptieren und zu tolerieren. Man lernt, dass es den Kindern hilft, wenn sie in ihrer eigenen Welt leben und ihr Ding machen können und nicht immer auf das, was Andere erwarten, achten müssen – das hat mir schon viel beigebracht und mir oft gezeigt, worauf es im Leben wirklich ankommt. Man sieht, wie die Kinder etwas Neues erlernen, wenn sie ihre ersten Schritte gehen, wenn man täglich mit ihnen Treppen läuft und sie es irgendwann allein können. Man kann Teil der Entwicklung dieser Kinder sein – das ist toll!

Ja, 40 Stunden Arbeitszeit in der Woche nehmen viel Zeit ein. Die Freizeitbetätigung leidet ein wenig darunter, aber im Großen und Ganzen ist es besser als in der Schulzeit oder während des Abiturs – da hat man auch viel zu tun gehabt. Wenn ich jetzt nach Hause komme, habe ich frei und nicht noch Hausaufgaben zu erledigen. Für mich ist der Freiwilligendienst kein Jahr um Geld zu verdienen, sondern ich mache es, weil es Spaß macht und ich hier – vor allem von den Kindern – so viel lernen kann, was das Leben eigentlich ausmachen sollte. Der Leistungszwang unter dem ich vorher in der Schule stand, wird hier nach hinten gestellt.

Durch das FSJ werden anderen Werte bedeutsam, wie zum Beispiel Empathie, Toleranz und Respekt.

Natürlich gibt es auch mal Aufgaben, auf die man gerade keine Lust hat. Man freut sich nicht unbedingt immer drauf, wenn man das Kind zum Klo begleitet – das macht mir keinen Riesenspaß, gehört aber dazu. Wenn das Team gut funktioniert und man arbeiten kann, ohne dass man sich ständig kontrolliert fühlt, mache ich das auch alles gern. Ich habe schon das Gefühl, dass ich auch zu allem Nein sagen könnte – klar, würd ich das nicht unbedingt machen, weil es unangenehm wäre, aber man könnte auch einfach Nein sagen.

Das Freiwillige an einem Freiwilligendienst ist für mich, dass man zu nichts gezwungen wird und auch viele Freiheiten hat. Man ist kein Angestellter in einem großen Konzern, wo man seine Leistung bringen muss, sondern man ist freiwillig da und unterstützt die Fachkräfte. Klar muss man jeden Tag früh aufstehen und jede Woche diese 40 Stunden arbeiten, aber ich mache es auch gern und ich fühle mich dazu nicht verpflichtet.

Ja, man geht auch eine Verpflichtung ein – aber ich find es gerade gar nicht so schlecht, wenn man einen geregelten Tagesablauf und seine Pflichten hat. Mir hilft die tägliche feste Aufgabe und die Struktur von außen – und am Ende ist es aber trotzdem immer noch freiwillig.

Dass man trotz Freiwilligkeit einen Vertrag eingeht, sichert einen in gewisser Weise ab. Es braucht sicherlich die offiziellen Regelungen, um jeden Monat ein Taschengeld erhalten zu können. Man hat natürlich trotzdem jederzeit die Möglichkeit aufzuhören. Ich finde es zudem etwas schade, dass das Taschengeld nicht sonderlich hoch ist, was das FSJ als solches für viele eher unattraktiv macht. Jedoch kann ich sagen, dass die Erfahrungen, die man macht, mehr wert sind als Geld.

Die Entscheidung für das Freiwillige Soziale Jahr war auf jeden Fall die richtige.

Es gab so viele schöne Erlebnisse, die ich nie vergessen werde. Ich konnte mich zudem persönlich weiterentwickeln und konnte viele Freundschaften schließen, sowohl auf Arbeit, als auch auf den Seminaren. Ein FSJ ist auf jeden Fall eine gute Wahl, wenn man nach der Schule noch nicht so Recht weiß, was man eigentlich will. Aber auch jeder, der schon genaue Visionen von seiner Zukunft hat, kann durch dieses Jahr tolle Erfahrungen sammeln.